Erfahrungsbericht

Gianluca
Bekleidungsgestalter

Vier Wochen London, Vier Wochen in einer anderen Welt

 

Nach zwei Stunden Verspätung und einer langen Busreise begrüsste uns eine freundliche Dame an einem heruntergekommenen Parkplatz/Supermarkt, in der Nähe von Lewisham.

Mit viel Begeisterung verteilten sich, mit Ausnahme einer Lernenden, alle zu den gegebenen Gastfamilien. Unterschiedlich aufgenommen und begrüsst, waren alle an ihrem Aufenthaltsort angekommen. Viele Lernende, jedoch nicht alle, wurden verpflegt bevor es am Montag mit der Sprachschule weiter ging. Noch erschöpft von der langen Reise und einer kurzen Nacht machte ich mich mit einem guten, aber sehr billigen Kaffee, auf den Weg zur Schule. Anfangs noch ein wenig unorganisiert verteilten sich die Schüler an der Oxford School in Begleitung von Frau Altenbach. Nach der Einstufungsprüfung und einem mündlichen Gespräch mit einer jungen Lehrerin, wurden wir über die bevorstehende Woche informiert. Zeitgleich verteilte uns das Management in die geeignete Klasse.

 

Bis es mit der ersten Stunde an der Schule losging, erkundeten wir eine wunderschöne Ortschaft mit einigen Sehenswürdigkeiten. Ungewöhnlich gut war auch das Essen der englischen Bevölkerung, nur 5 Minuten von der Schule entfernt, traf man auf einen gut gefüllten Food Market mit sehr unterschiedlichen Gerichten für einfache Leute.  Die Sprachschule an sich war toll, es vereinten sich Schüler wie Erwachsene aus aller Welt in einem unterkühlten Zimmer in Begleitung von sehr charmanten und kompetenten Lehrern. Der ganze Spass wurde mit dem Social Programm von der Schule noch unterstützt, wie etwa der erste Dienstagabend bei dem sich die Studenten in einer Bar mit Bier in der linken und einem Burger in der rechten Hand austauschten und sich unterhielten. Für mich war die erste Woche ein guter Start, der leider wie ein Schnellzug am Zürcher Hauptbahnhof an mir vorbeirauschte.

 

Für einige Lernende mit nicht allzu guten Englischkenntnissen waren die darauffolgenden zwei Wochen im Newham College etwas anstrengend. Es wurde uns in den ersten Tagen viel über die Philosophie einer alten Englischen Schneiderkunst erzählt, auf was man achten sollte bei der Verarbeitung von einem Veston sowie bei der Anprobe und dem Zuschneiden von dem Nähgut. Etwas lasch erlernten wir verschiedene Handstiche, die wir alle bereits an einem Kundenstück ausgeführt hatten, was uns den Eindruck vermittelte, dass unsere Leiter nicht genau wussten auf welchem Stand sich das 3. Lehrjahr der Modeco befand. Mit ein wenig Würze und einem etablierten Schneider von London ging es am nächsten Tag weiter, mit sehr viel Erfahrung in verschiedenen Bereichen der Massschneiderei erklärte uns der Gentleman wie er ein Projekt angeht und was es alles braucht bis zu dem fertigen Produkt. Ein paar Notizen später, und einem Mittagessen wie es die englische Hausfrau für ihren geliebten Ehemann zubereitete, wurde es für die Lerneden interessant. Die nächsten Tage waren alle Augen auf die bezaubernde Victoria gerichtet, mit ihr zeichneten wir das Schnittmuster für unseren Veston und kopierten das Ganze einige Tage später auf eine Schablone so, dass das Zuschneiden vom Stoff der nächste Schritt war. Zwischenzeitlich verliessen wir die graue, nicht allzu freundliche, Gegend um einige Ateliers an der Savile Row inmitten von London zu besuchen, mit unserem Begleiter erhaschten wir einen Blick hinter die Kulissen von Henry Poole, Chittleborough & Morgan und Gives and Hawkes. Freundlich und sehr zuvorkommend tauchten wir  in eine andere Welt ein. Was auf den ersten Blick noch alles so glamourös erscheint, wurde mit einigen Tritten in die untere Etage zu gewöhnlichen Ateliers, begleitet von dem Rauschen der Bügelmaschine und dem Rattern der alten Nähmaschine begutachteten wir die Arbeit der Schneider.

 

In der dritten Woche vollendeten wir den Veston für die erste Anprobe mit Hilfe von einem Gentleman, der den Titel von einem Major Tailor in den Händen hielt. Das Verarbeiten für seinen eigenen Veston war ein Genuss und trotzdem ein grosse Herausforderung für einige von uns. Innert drei Tagen beendeten wir die Arbeit, die im Vergleich zu unserer Vorgehensweise noch viel aus Handarbeit bestand. Für mich war es eine grossartige Erfahrung mit drei sehr etablierten und kompetenten Schneidern zusammen zu arbeiten und aus ihrer Erfahrung und ihrem Wissen zu lernen.

 

In der vierten und letzten Woche waren wir im Textile and Fashion Museum in London und an dieser Stelle spaltet sich meine Meinung. Wir haben auch in der letzten Woche einiges gelernt, das uns später vielleicht zu Nutzen kommen kann. Was uns jedoch am heutigen Tag nicht wirklich weiterbringt. Das Museum an sich war nicht so gross und die Ausstellung stand schon bereit. Unsere Aufgaben bestanden darin, dass wir im hauseigenen Shop Artikel verkauften, als Staff die Gemälde und Kleider beobachteten, falls irgendjemand Hand anlegen wollte und an der Reception den Eintritt für Interessenten gewährten. Ich fühlte mich wie eine billige Arbeitskraft, die nur darauf wartete bis die Zeit umgeht. Auf der anderen Seite erlernten wir mit Lincoln, ein grossgewachsener witzigerMann, wie man mit Indesign oder Photoshop umgehen kann. Wie man ein Layout erstellt für einen Flyer, für eine bevorstehende Ausstellung oder wie man ein gewöhnliches 2- D Sofa mit Schattierungen und Kurzbefehlen verändern kann. Für einige Studenten war der letzte Freitag vor der Abreise ein toller Abschied nach dieser spannenden Zeit.

 

Nach einem verkaterten Morgen und ein paar holprigen Stunden im Car erreichten wir mit Frau Miladinovic  den Flughafen. Sicher und ohne grosse Probleme landeten wir wieder in Zürich.

 

Die Meinungen meiner Mitschüler mögen nicht identisch sein, auch nicht alle hatten eine so tolle Gastfamilie wie ich und trotzdem möchte ich es jedem empfehlen, der diese Möglichkeit bekommt.  Das ist die Kurzfassung von einer spannenden Reise in eine andere Welt. Da wir die Ehre hatten als erste Schulklasse nach London zu reisen, Lehrbegleitend und so umfassend über die vier Wochen unterrichtet wurden, war es ein gelungener Aufenthalt für mich.